17. März 2022

Mehr Grün bringt Schatten und Qualität

In vielen Städten finden wir Plätze, die an Sommertagen wenig Schutz vor Sonne und Hitze bieten. Diese Hitzeinseln könnten mit Begrünung sehr viel einladender gestaltet werden. Grüne Rankstrukturen wären eine hervorragende Lösung, um urbane Räume mit naturnahem Klima zu entwickeln.

Sommertage können in Städten unerträglich heiss werden. Eine dichte Bebauung und die Versiegelung von freien Flächen absorbieren die Sonneneinstrahlung. Die Umgebung heizt sich auf. Dieser Hitzeinseleffekt führt dazu, dass Temperaturen in städtischen Gebieten um einige Grad höher sind als im Umland. Mit dem Klimawandel treten Hitzephasen häufiger, länger und heisser auf. Stadtplaner, Architekten, Landschaftsgärtner und Firmen wie Jakob Rope Systems arbeiten deshalb an Lösungen, um den Hitzeinseleffekt in Städten zu reduzieren.

Neu gestaltete Räume mit Grünflächen und Schattenplätzen können einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Davon ist Rudolf Lehmann überzeugt. Als Ingenieur bei Jakob Rope Systems begleitet er seit 20 Jahren Projekte zur Begrünung von Städten und Gebäuden in der Schweiz und im Ausland. Im Interview beschreibt Rudolf Lehmann die aktuelle Situation in Städten und wie mit dem Wissen aus Forschungsprojekten neue Rankstrukturen entwickelt werden können.

Herr Lehmann, Jakob Rope Systems hat 2021 einen vielbeachteten Entwurf vorgelegt. Eine begrünte Seilstruktur, die einen innerstädtischen Platz beschattet. Ist das ein Weg für die Zukunft unserer Städte?
In vielen Städten sehen wir Plätze ohne Bäume, an denen sehr grosse Hitze entsteht. Im Sommer können hier Temperaturen bis zu 60 – 70 Grad auftreten. Das ist für Mensch und Tier nicht auszuhalten. Ein weiteres Problem kommt hinzu. In diesen Städten ist der Untergrund belegt durch Leitungen, Kanalisation oder durch Tiefgaragen. Das Pflanzen von Bäumen, deren Wurzeln Raum benötigen, ist unmöglich. Eine freistehende Begrünung mit Seilstrukturen bietet dazu eine Alternative. Die daran wachsenden Kletterpflanzen geben Schatten.

Pflanzen als Schutz gegen Sonne. Woher stammt dieser Ansatz?
Jakob Rope Systems hat bereits vor 20 Jahren mit der Installation solcher Lösungen begonnen. Der MFO Park in Zürich ist ein Beispiel dafür. Zusammen mit Architekten, Landschaftsgestaltern und der Stadt Zürich haben wir hier ein bis heute gültiges Muster entwickelt. Eine freistehende, quaderförmige Architektur mit begrünten Wänden und Dach.

Ein weiteres Muster entstand für ein Zoogehege in Basel. Hier haben wir ein doppelwandiges Netzgehege für Menschenaffen entwickelt. Die Aussenwände des Geheges dienen als Rankstruktur für Kletterpflanzen. Der Bewuchs ist heute prachtvoll und bietet den Tieren an heissen Sommertagen ein grossflächiges Schattendach mit einem angenehmen Mikroklima darunter.

All das geht auf die Idee der Pergolen zurück.
Genau. Pergolen werden in südlichen Ländern seit der Antike als grüne Schattendächer gebaut. Das vom Boden abgehobene Dach schafft einen Raum, in dem Schatten und Kühlung entsteht. Die grünen Blätter bewirken durch ihre Verdunstung eine Temperatursenkung von 3 – 4 Grad. So entsteht eine natürliche Kühlung mit einer naturnahen Atmosphäre.

Was wissen wir heute über die Wirkung von begrünten Räumen?
Wir sehen, dass die Begrünung von Fassaden eine wichtige gestalterische Funktion übernimmt. Dies dank der Kletterpflanzen, die in vielen Breitengraden in einer grossen Vielfalt gedeihen. Mit dem Gang der Jahreszeiten vollziehen sich auch wunderschöne Wechsel von Farben, Blütenständen und Düften. Grüne Fassaden leben – wenn man es so ausdrücken möchte. Die wichtigste Funktion ist jedoch die Kühlung durch grüne Flächen an Dach, Fassaden und unter Pergolen.

Hat die Dringlichkeit nach Grün in den letzten Jahren zugenommen?
Wir spüren einen Anstieg von Anfragen nach Begrünung. Die Nachfragen kommen aus der Schweiz, aus Europa, den USA, Australien und auch aus Südostasien. Viele davon beziehen sich auf eine Nachrüstung von Begrünung für bestehende Gebäude. Die Bauten sind oft aus Backstein, Beton, Holz oder haben Aussenisolation. Hierbei ist es wichtig, Lösungen zu entwickeln, die den bauphysikalischen Anforderungen gerecht werden.

Vor welchen Herausforderungen stehen Städte in Zukunft?
Nehmen wir das Beispiel Genf. Hier stehen im Stadtgebiet rund 40 000 Bäume. In den letzten Jahren mussten davon pro Jahr zwischen 300 und 500 Bäume geschlagen werden. Hitze, Abgase, Streusalz und verdichteter Boden hatten diesen Bäumen zugesetzt. Bei starkem Wind werden geschwächte Bäume zur Gefahr. Das Neupflanzen von Bäumen wiederum ist vielerorts schwierig, da der Boden besetzt oder belastet ist. Und je nach Baumart vergehen Jahrzehnte, bis ein Baum seine volle Pracht und Wirkung entfaltet. Städte müssen also andere Lösungen finden, um steigenden Temperaturen, Luftbelastung und Lärm entgegenzuwirken.

Wo in Städten ist das Potential für Begrünung am grössten?
Grosses Potential sehe ich auf Dächern in Stadtgebieten. Dann an den Fassaden von Gebäuden. Auch an Wänden und Mauern, die an Bahnstrecken oder Strassen entlanglaufen. In vielen Städten wurden in den letzten Jahren oberirdische Parkzonen geschaffen. Diese Zonen werden im Sommer sehr heiss. Hier sehe ich ebenfalls Möglichkeiten für mehr Grün und Schatten.

Kennen Sie Städte, die im Bereich Begrünung Vorreiter sind?
Das Umfeld von Zürich liefert interessante Beispiele. Hier wurden mehrere Begrünungsprojekte realisiert. Der MFO Park in Zürich, das Parkhaus in Sihlcity oder ein Geschäftshaus in Glattbrugg. In Zürich hat die Abteilung «Grün Stadt Zürich» zusammen mit der Stadtgärtnerei verschiedene Möglichkeiten der Gebäudebegrünung entwickelt. An diesen Projekten können sich nun andere Städte und auch private Planer orientieren.

Wie werden diese Räume heute von Menschen genutzt?
Im begrünten MFO Park finden sich an heissen Sommertagen zu jeder Tageszeit Menschen ein. Am Morgen zum Boule spielen, über den Mittag zu einer Pause oder am Abend für Treffen und Events. Fast alle Bedürfnisse von Stadtmenschen können hier bedient werden. Selbst bei Regen bietet das Blätterdach Schutz. Die Betreiber des Geschäftshauses in Glattbrugg erreichen heute dank der grünen Fassade einen reduzierten Kühlaufwand von bis zu 35 Prozent.

Haben sich die technischen Lösungen für Begrünungen zuletzt verändert?
Wir können Gebäude heute mit flachen Rankstrukturen begrünen. Und wir können Plätze mit freistehenden Strukturen begrünen und damit beschatten. Beides im grossflächigen oder im kleinen punktuellen Massstab. Die technischen Möglichkeiten sind insgesamt gewachsen. Bei Jakob Rope Systems haben wir das Sortiment zum Bau von Rankstrukturen erweitert und verbessert. Wir bieten heute Systemlösungen, ebenso die Umsetzung einzigartiger Lösungen und sogar Baukasten-Begrünung für Heim und Garten. Als Material verwenden wir hochfeste Seil- und Netzstrukturen aus Edelstahl. Damit realisieren wir filigrane Leichtbaustrukturen die 30 – 50 Jahre lang wartungsfrei sind. Unverzichtbar bleibt lediglich die Pflege der Pflanzen, die ein bis zweimal im Jahr stattfinden sollte.

In welchen Bereichen gibt es noch Bedarf nach mehr Forschung?
Etwas, das bisher wenig untersucht wurde, ist die Wirkung von Windkräften auf eine bewachsene Rankstruktur. Interessant wäre dabei zu wissen, wie sich verschiedene Pflanzen auf unterschiedlicher Wuchshöhe im Wind verhalten. Welche Windkräfte wirken zum Beispiel an den Rändern von Gebäuden, wo Luftwirbel entstehen? Wie gehen Pflanzen damit um? Genau zu diesen Fragen forscht aktuell ein Projekt an der Hochschule Luzern.

Pflanzen wie die Pfeifenwinde zeigen ein erstaunliches Verhalten im Wind.
Wir sehen bei einigen Pflanzen ein intelligentes Anpassungsverhalten. Sind diese einem starken Wind ausgesetzt, dann legen die Pflanzen ihre Blätter flach in die Windrichtung. Die Pflanzen verkleinern ihre Fläche zum Wind. Bei sehr starken Stürmen werfen die Pflanzen einige ihrer Blätter schliesslich ab. Bestimmte Pflanzen tragen also dazu bei, wirkende Windkräfte auf unsere Rankstrukturen zu einem gewissen Grad zu reduzieren.

Könnte man mit diesem Wissen in Zukunft bessere Rankstrukturen entwickeln?
Das ist genau der Punkt. Die technische Umsetzung von grossflächigen Rankstrukturen wird sich damit verändern. Mit dem neuen Wissen können wir Material genauer dimensionieren. Auch wirtschaftlichere Lösungen sind möglich. Wir werden Strukturen leichter und filigraner bauen können, da wir die maximal wirkenden Kräfte berechnen können. Wir erreichen insgesamt eine höhere Präzision bei der Planung.

Kontakt:

Rudolf Lehmann ist Ingenieur und betreut das Business Development bei Jakob Rope Systems. Er begleitet seit 20 Jahren Projekte zur Begrünung von Städten und Gebäuden in der Schweiz und im Ausland. Er ist davon überzeugt, dass die Situation in Städten und der Klimawandel keine andere Wahl zulässt, als mehr Grün und damit mehr Qualität für Städte zu schaffen.

Rudolf Lehmann
Business Development
rudolf.lehmann@jakob.ch

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Das Programm präsentiert sich in zwei Teilen. In der Broschüre GreenSolutions References finden Sie viele realisierte Anwendungen, die Ihnen die Möglichkeiten von Begrünungen aufzeigen.

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Das Programm präsentiert sich in zwei Teilen. Im Katalog GreenSolutions Technical sind alle Begrünungsprodukte mit ihren technischen Informationen für Ihre Begrünung aufgeführt.

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